Die Pflegebegutachtung erfolgt beim Medizinischen Dienst durch qualifizierte Pflegefachkräfte. Der Medizinische Dienst Baden-Württemberg hat in den vergangenen Jahren mit Optimierungen in den Abläufen und auch Personalverstärkungen proaktiv auf die steigenden Begutachtungszahlen reagiert. Dadurch ist es dem Medizinischen Dienst Baden-Württemberg bislang erfolgreich gelungen, die gesetzlichen Fristen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in hohem Maße einzuhalten. „Aufgrund des Fachkräftemangels stehen aber immer weniger Pflegefachkräfte zur Verfügung und der Trend verstärkt sich durch die demografische Entwicklung. Denn auch die Pflegefachkräfte gehen in Rente“, erläutert Klein. „Ein schonender Umgang mit der kostbaren Ressource Pflegefachkraft ist daher dringend geboten. Dazu kann die Flexibilisierung der Begutachtungsformate ebenfalls beitragen.“
Positive Erfahrungen aus der Pandemie nutzen, Versicherte zeitnah unterstützen
Rückblick: Vor der Corona-Pandemie erfolgten die Begutachtungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in den allermeisten Fällen durch persönliche Begutachtungen im Wohnumfeld der Versicherten. Während der Corona-Pandemie wurden die persönlichen Begutachtungen durch eine gesetzliche Regelung zeitweise ausgesetzt. Um dennoch auch weiterhin einen zeitnahen Leistungsbezug und die damit verbundene Versorgung sicherzustellen, erfolgten die Begutachtungen auf Basis der bereits vorliegenden Unterlagen und eines ergänzenden Telefoninterviews mit den Pflegebedürftigen bzw. ihren Bezugspersonen.
Die Erfahrungen aus der Pandemie zeigen, dass das strukturierte Telefoninterview eine gleichwertige Alternative zum Hausbesuch sein kann. Die Pflegegradverteilung blieb bei der Anwendung des strukturierten Telefoninterviews stabil. Das Telefoninterview eignet sich vor allem für Begutachtungen bei Höherstufungsanträgen, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben: Ihre Anzahl ist beim Medizinischen Dienst Baden-Württemberg von 81.543 im Jahr 2016 auf 151.096 im Jahr 2022 und somit um 85 Prozent gestiegen.
Höherstufungsanträge werden von Versicherten gestellt, deren Pflegebedürftigkeit sich verschlechtert hat und die bereits vom Medizinischen Dienst in eigener Häuslichkeit begutachtet worden sind. Das können zum Beispiel Pflegebedürftige sein, die an fortgeschrittenen Krebserkrankungen oder Demenz leiden. „In solchen Situationen geht es darum, eine zügige Begutachtung ohne Belastung für die Betroffenen zu ermöglichen, damit sie schnellstmöglich ihre Leistungen erhalten können“, erklärt Klein.
Qualitativ hochwertige Begutachtung sichern – digitale Formate weiterentwickeln
Innerhalb des Systems der Medizinischen Dienste wurden während der Pandemie zudem Videobegutachtungen in Pflegeeinrichtungen getestet, um deren Potenzial für die Weiterentwicklung der Begutachtungsformate zu untersuchen. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass Videobegutachtungen sehr gut geeignet sind, um ortsungebunden und flexibel qualitativ hochwertige Pflegebegutachtungen durchführen zu können. Diese Formate gilt es, in einem zweiten Schritt für die Versicherten weiterzuentwickeln. Voraussetzung dafür ist allerdings die flächendeckende Verfügbarkeit von WLAN, das derzeit weder in Pflegeheimen noch in der ambulanten Versorgung flächendeckend vorhanden ist.
Hintergrundinformation
Der Medizinische Dienst Baden-Württemberg ist ein unabhängiger Gutachterdienst. Im gesetzlichen Auftrag unterstützt und berät er die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie Berufsvertreterinnen und Berufsvertreter sowie Interessenverbände auf Landesebene in medizinischen, sozialmedizinischen und pflegefachlichen Fragen. Darüber hinaus ist der Medizinische Dienst ein kompetenter Ansprechpartner für die Weiterentwicklung der landesweiten Gesundheitsversorgung für verschiedene Institutionen und die Politik.