Nach der Eröffnung durch Dr. Thomas Rösel, Leitender Arzt des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg, setzte zunächst Prof. Dr. Katarina Planer, Professorin für Pflege und Pflegemanagement an der Hochschule Esslingen, den thematischen Fokus. Sie verwies auf den demographischen Wandel mit steigendem Pflege- und Versorgungsbedarf bei gleichzeitigem Personalmangel: „Es fehlen bis zum Jahr 2024 zwischen 90.000 und 350.000 Pflegekräfte – je nachdem, welche Variante der Engpassberechnung des Statistischen Bundesamtes wir in Betracht ziehen“, sagte Professorin Planer. Notwendige Strukturveränderungen würden durch verschiedene neue Normen eingeleitet, vor allem durch das Pflegekompetenzgesetz mit einer Stärkung der Prävention, einer kommunalen Pflegestrukturplanung und einem neu gestalteten Aufgabenkatalog für Pflegefachpersonen. Sie erhielten mehr Kompetenzen, mehr Vertrauen und auch mehr Verantwortung.
Die von Andreas Klein, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg, moderierte Panel-Diskussion zu den aktuellen Herausforderungen war bemerkenswert, weil sich alle Akteure sehr offen äußerten. Johannes Bauernfeind, der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, sagte zu den stark steigenden Fallzahlen: „Unsere Aufgabe als Pflegekasse ist es, die Menschen umfassend zu beraten. Wir müssen auch an der Haltung der Gesellschaft arbeiten, weil Anträge ohne jede Erfolgsaussicht entgegen dem Volksmund doch auch schaden.“ Dr. Angela Postel (Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg) plädierte für eine Stärkung der Kurzzeitpflege und eine engere Verzahnung aller Akteure im Gesundheitswesen – u.a. auch der Pflegedienste untereinander: „Wir müssen uns insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels die Frage stellen, ob wir es uns noch leisten können, dass ein Mehrparteienhaus in einem kleinen Ort von fünf Pflegediensten parallel angefahren wird, die sich dort die Klinke in die Hand geben.“ Irene Gölz, alternierende Verwaltungsratsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg, sprach den Beschäftigten ihr Vertrauen aus: „Wichtig ist jetzt aber auch, den Begutachtungsprozess weiterzuentwickeln, um die hohen Auftragszahlen bewältigen zu können und auch die jetzt möglichen Videoformate - wo möglich - dafür einzusetzen.“ Pflegeexpertin Prof. Dr. Katarina Planer (Hochschule Esslingen) motivierte nochmals: „Wir dürfen uns nicht zurücklehnen. Stellen wir uns gemeinsam auf eine Dynamik ein!“ Uwe Seibel vom Berufsverband DBfK-Südwest forderte mehr Aufklärung der Bevölkerung und sagte: „Ich habe keine Sorge vor dem Untergang der Pflege, sondern schaue nach vorne: Das Pflegekompetenzgesetz bietet neue Möglichkeiten, die wir mutig aufnehmen.“
In sechs verschiedenen Informationsforen konnten die Teilnehmenden des MD TAG Pflege dann ihre Fachkenntnisse vertiefen. So gaben Kirsten Mehl (Medizinischer Dienst Hessen) und Mandy Stephan (Medizinischer Dienst Niedersachsen) Einblicke in deren administrative Prozesse. Christine Rothwein-Pipita (Leiterin Region Ost im Verbund Qualitätsprüfung Pflegeeinrichtungen beim Medizinischen Dienst Baden-Württemberg) teilte ihr Wissen zu Expertenstandards (u.a. zu Sturzprophylaxe). Bei Dr. Dieter Gutensohn (Leiter Fachreferat Medizin und Pflege) und Qualitätsprüferin Kristin Geyling stand die Richtlinie Außerklinische Intensivpflege im Mittelpunkt. Besonders rege diskutiert wurden unter Anleitung von Verbundleiter Klaus Rinkel die Herausforderungen in der Pflegebegutachtung der schweren Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) – rund 200 Teilnehmende wollten im Hegelsaal der Liederhalle neue Erkenntnisse mit in ihren Arbeitsalltag überführen. Zudem gab es interessante Foren zum Fachwissen Demenz (Referentin: Dr. Jennifer Betge, Leiterin Fachreferat Psychiatrische Versorgung) und zum anspruchsvollen Thema „Gewalt in der Pflege“ (Referentin: Dr. PH Andrea Kimmel, Medizinischer Dienst Bund).
Zum Abschluss des Tages fanden sich alle Teilnehmenden im Plenum zusammen, um die Ergebnisse der Foren in großer Runde zu reflektieren. Sybille Stindl, Stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg, verabschiedete die Teilnehmenden. Sie betonte die Bedeutung des internen Austauschs und der ständigen Weiterbildung für die Qualität der Begutachtungen und Prüfungen.