Die Frage, ob ein Behandlungsfehler vorliegt und die Patientin oder der Patient einen Schaden erlitten hat, bejahte der Medizinische Dienst Baden-Württemberg etwa in jedem vierten Gutachten (26 Prozent) – das heißt in 350 Fällen. In diesen Fällen prüften die Gutachterinnen und Gutachter, ob der gesundheitliche Schaden auch durch den Behandlungsfehler verursacht wurde oder nicht. Dies traf in 20,7 Prozent zu, das heißt bei 278 der 350 Fälle war der Schaden auf den Fehler zurückzuführen. Umgekehrt ist nicht jeder nachgewiesene Schaden auch durch einen Behandlungsfehler bedingt. So können unerwünschte Ergebnisse auch die Folge von nicht zu verhindernden Komplikationen einer Therapie sein.
Die festgestellten Fehler betreffen die unterschiedlichsten Erkrankungen und die verschiedensten Behandlungen.
Die Zahlen der Medizinischen Dienste zeigen nur einen Ausschnitt an Behandlungsfehlern. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Fälle nach wie vor unbekannt bleiben. Zum einen werden die Fälle in Deutschland nicht zentral erfasst; zum anderen werden sie von betroffenen Patientinnen und Patienten nicht als Fehler erkannt und deshalb auch nicht untersucht. Die Zahlen der Medizinischen Dienste sind nicht repräsentativ, und sie erlauben auch keine allgemeingültigen Rückschlüsse auf die Patientensicherheit in Krankenhäusern und Arztpraxen.
„Die jährliche Veröffentlichung der Daten zu den Behandlungsfehler-Begutachtungen verfolgt allein das Ziel, Transparenz zu schaffen. Sie eröffnet hierdurch die Möglichkeit, die Ergebnisse als Grundlage für tiefer gehende Ursachenanalysen sowie gezielte Untersuchungen zur Fehlerprävention und Fortentwicklung der Sicherheitskultur zu nutzen.“, fasst Dr. Thomas Rösel, Leitender Arzt des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg, zusammen und ergänzt „Patientinnen und Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, erhalten durch die Medizinischen Dienste wertvolle Unterstützung“.
Die Gutachten der Medizinischen Dienste zu vermuteten Behandlungsfehlern werden interessensneutral erstellt und sind für gesetzlich Versicherte kostenfrei.
Im Interesse der Patientinnen und Patienten plädieren die Medizinischen Dienste seit Jahren für mehr Transparenz und eine neue Sicherheitskultur, bei der Behandlungsfehler offengelegt, systematisch erfasst und ausgewertet werden. Nur so kann mit gezielten Maßnahmen die Patientensicherheit gestärkt werden. Das gilt insbesondere für die sogenannten Never Events – Fehler, die oft schwere Folgen haben, aber sicher zu vermeiden wären. So könnten zum Beispiel Checklisten oder Markierungen helfen, folgenschwere Seitenverwechslungen bei Operationen zu verhindern.
Hintergrund
Der Medizinische Dienst ist der sozialmedizinische Beratungs- und Begutachtungsdienst der gesetzlichen Kranken- und der Pflegeversicherung. Mit dem „MDK-Reformgesetz“ wurde die Unabhängigkeit der 15 regionalen Medizinischen Dienste gestärkt und die Aufgaben wurden erweitert. Die Medizinischen Dienste können von den gesetzlichen Krankenkassen zur Begutachtung eines Behandlungsfehlervorwurfs beauftragt werden. Erste Anlaufstelle für die Patientinnen und Patienten ist die Krankenkasse.